Selbstgespräche

Triathlon
Es liegt am neuen Job, dass ich heute so langsam bin und das Laufen dabei unheimlich anstrengend erscheint. Ich muss mich an die neuen Aufgaben gewöhnen, die neuen Menschen und die Erwartungen, die an mich gestellt werden, mich in einer neuen Firmenumgebung zurechtfinden und mich sehr schnell in ein bereits laufendes Projekt einarbeiten. Ich rechne nach. Zugegebenermaßen ist der Job gar nicht mehr so neu:  10 Monate. Um mich an die neue Belastung und den ungewöhnlich anderen Druck nach den 6 Jahren in der alten Firma zu gewöhnen, habe ich allerdings doch länger benötigt, als gedacht.

Das ist doch nur eine faule Ausrede. Du hast einfach nicht mehr regelmäßig trainiert. Da ist es doch klar, dass es weniger gut klappt. Die neue Arbeit war nur eine willkommene Ausrede, weniger zu tun und ist ein vorgeschobener Grund dafür, dass du eigentlich gar nicht so konsequent und diszipliniert bist, wie du dich gerne ausgibst.

Ich schaue auf die Uhr, der Puls ist viel zu hoch und springt. Ich muss versuchen gleichmäßiger zu laufen und auf meine Atmung zu achten. Je mehr ich darauf achte, desto wilder wird der Puls.

Letztes Jahr habe ich mir einen Trainer zur Vorbereitung meiner ersten Mitteldistanz gegönnt. Der sagte, dass der Trainingsausfall „einen auch nicht so weit zurückschmeißt, wie man das glaubt“. Ok, das waren damals 2 Wochen Krankheit und nicht mehrere Monate verringertes Training.

Ich versuche mich auf das Hörspiel zu konzentrieren. Der Puls fühlt sich langsam besser an. Nachschauen traue ich mich nicht.

Du ernährst dich eben auch schlechter, als letztes Jahr. Da warst du sehr viel konsequenter, was frische und wenig industriell zubereitete Nahrung anging, hast weniger Alkohol getrunken und mehr auf deine Intoleranzen geachtet. Es gab regelmäßig Fisch und Gemüse, auch mal Tage ohne Fleisch oder ohne Kohlehydrate. Schau dich an, du hast 5 kg zugenommen seit letztem Herbst. Da ist es doch kein Wunder, dass du jetzt langsamer läufst, als vor ein paar Monaten. Die müssen wieder runter!

Warum habe ich auf einmal Heißhunger auf Kartoffelchips?

Ich prüfe die Geschwindigkeit – da stimmt doch was nicht. Die Geschwindigkeit passt nicht zu meinem Puls. Dass ich so langsam laufe kann einfach nicht sein, die Uhr muss kaputt sein, das muss ich Zuhause gleich prüfen.

Die Uhr lügt nicht, schau es dir nur an. Das ist deine Leistung.

Vermutlich bin ich heute einfach nur schlecht drauf und beim nächsten Training klappt es gleich viel besser.

Ich fühle mich elend und die Beine werden schwer. Weit bin ich noch nicht gekommen.

Vielleicht liegt es auch der Brille. Ich muss seit einigen Wochen Brille trage, wo ich doch seit ca. 13 Jahren niemals ohne meine Kontaktlinsen irgendwohin gehe, geschweige denn Sport treibe. Jetzt ist das ein komisches Gefühl. Sie ist nicht stark genug. Sie schränkt das Sichtfeld ein, sie hindert mich am schwimmen, denn blind wie ich bin würde ich im Schwimmbad alle Leute um mich herum beim Kraulzug schlagen und mich im See hoffnungslos verirren und nie mehr zum Ufer zurückfinden. Beim Laufen sitzt sie schwer auf der Nase und beim Radfahren ist es einfach unangenehm, dass ich im seitlichen Sichtfeld unscharf sehe und auch, dass ich eine große Sonnenbrille über die normale Brille ziehen muss.

Eine wildere Ausrede fällt dir nicht mehr ein?

Jetzt könnte ich noch das Wetter anbringen, aber eigentlich, ist es doch egal. Solange ich nicht auf meinen Pace schaue und nicht darüber nachdenke, wie lange ich bereits unterwegs bin oder ob mir die Beine weh tun könnten, ertappe ich das ein oder andere Lächeln, das über mein Gesicht huscht.

Dranbleiben und Spaß haben, denke ich mir. Der Rest kommt doch von alleine.

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